Einmarsch auf Ketten

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Benny kommt um 6:30 an und die Abfertigung im Flughafen ist so langsam, dass wir über 1h warten müssen. Er ist ein guter Freund von Jonas und Lukas und ich kennen ihn noch gar nicht bisher. Als wir zurück am LKW und dem Guesthouse sind, an dem wir standen hat Lukas bereits Frühstück vorbereitet und macht Pancackes. Im Anschluss geht es auf den Markt, das Wetter ist traumhaft und abends fahren wir noch aus der Stadt raus. Wir füllen den Tank nochmal, damit wir auf dem Pamir-Highway keinen teuren Diesel tanken müssen. Getankt wird nur noch bei Gazprom, da der Diesel der anderen Anbieter spürbare Leistungseinbußen mit sich bringt, der höhere Preis ist dafür ein akzeptables Übel. Am Tag darauf kommen wir nicht weit, wollen uns aber langsam an die Höhe gewöhnen und verbringen den Tag und die Nacht auf 3500m. Niedriger kommen wir so schnell nicht mehr. Heute wollen wir über die Grenze und im letzten Ort kaufen wir nochmal alles, was wichtig ist- Bier und Vodka! Wir haben gehört, dass zwischen dem kirgisischen und dem tajikischen Grenzposten 20km Niemandsland sind, also sind wir noch recht früh dran. Hier beginnt aber schon 20km VOR dem kirgisischen Grenzposten das Abenteuer. Die Straße ist ungeräumt und, weil die Sonne scheint und es echt warm ist, wird nach und nach sulzig. Wir brauchen für die 20km knapp über 4h und müssen, 300m vor dem Grenzposten, die Schneeketten vorne aufziehen, da wir seitlich so weggerutscht sind, dass es ohne nicht mehr weiter geht. Der Weg hier ist jetzt ruiniert. Die Jungs an der Grenze sind echt freundlich und wir dürfen hier übernachten, da wir am kommenden Morgen früh los wollen, wenn der Schnee noch angefroren ist. Am späten Nachmittag lernen wir Ron, einen schlaffen Australier mit Fahrer kennen, die beiden Stecken mit ihrem Auto in unseren Spuren fest. Wir helfen ihnen raus und denken, dass wir sie nie wieder sehen werden. Um 7Uhr werden unsere Pässe gestempelt und es geht ins Niemandsland. 500m weiter treffen wir wieder auf den Australier. Er und sein Fahrer haben die Nacht hier verbringen müssen, da sie sich hoffnungslos festgefahren haben. Der Fahrer schaufelt, Ron sitzt im Auto. Wir kommen an ihnen vorbei und ziehen sie raus und über das schwierige Gelände die nächsten 100m, Bodenfreiheit kann schon nützlich sein! Sie überholen uns wieder und sind schnell verschwunden. Die nächsten Km sind entspannt, bis es um eine Kurve geht und wir unseren bekannten wieder vor uns haben. Wir frühstücken erstmal. Hier kommt auch unsere größte Hürde. Der Schnee ist weich und wir brechen immer wieder 40-50cm tief ein. Für die 400m hier brauchen wir gute 4h oder mehr. Außerdem packen wir unsere Sandbleche aus und sind froh um die Hinterachssperre und die Ketten vorne. Wir nutzen alles, was uns zur Verfügung steht. Uns kommen auch Autos entgegen, die uns berichten, dass Sie einen Tag von der Tajikischen Grenze bis hier gebraucht haben und das bergab! Die Straße soll noch viel schlechter werden, uns schwant Böses! Es geht aber wieder gut vorwärts, bis ein altbekanntes Fahrzeug wieder den Weg versperrt. Ron sitzt mal wieder im Auto und liest einen Lonlie Planet Reiseführer, den er ohnehin die meiste Zeit in der Hand hält. Wir ziehen sie wieder raus, dieses Mal nach hinten, dann überholen wir und ziehen sie durch den Schnee. Von jetzt an bleiben sie hinter uns und Jonas fährt bei ihnen mit Funkgerät mit. Die Sonne hat ihren Teil getan und die Straße wird nicht schlimmer, da viel weggetaut ist. Trotzdem müssen wir Ron noch ein letztes mal bergen, aber nicht bevor wir ein Bierpäuschen gemacht haben und sie haben schaufeln lassen. Die Serpentinen danach gingen erstaunlich gut und wir haben uns durchfräsen können, mit den Schneeketten ist es
Einmarsch auf Ketten:
echt brachial was möglich ist. Nach „nur“ 12h haben wir dann die Tajikische Grenze erreicht und werden freundlich empfangen, bis dann drei Grenzer versuchen uns abzuziehen. Jeder will Geld: 10$ für Reifendesinfektion, die es nie geben wird, 3$ Quarantäne, warum auch immer?! Und 8$ Anmeldung bei der Polizei. Wir diskutieren eine ganze Weile und zahlen am Ende13$ und können endlich einreisen. Was für ein Tag. Wir sind alle geschafft und fallen völlig kaputt ins Bett. Am Ende des Pamir-Highways sind wir an einer Polizeikontrolle von einem einheimischen Fahrer, der gerade zwei Australier dabei hatte, gefragt worden, ob wir die Jungs waren, die seinen Kollegen über die Grenze gezogen haben, das uns ein Lächeln ins Gesicht gezaubert hat.
Es geht weiter und wir treffen einen Engländer, der mit dem Fahrrad die gesamte M41 (der Pamir-Highway) entlang geradelt ist. In Anbetracht der Straßen und der Höhe eine unglaubliche Leistung! Wir fahren nur weiter bis zu einem See, der noch Schneebedeckt ist und gönnen uns einen Tag ruhe. Am nächsten Tag geht es dann auch schon wieder weiter, durch Karakol (nicht zu verwechseln mit Karakol in Kirgistan), einem von der Außenwelt vergessenem Ort, der zwar Stromleitungen hat, diese aber öfter mal abgerissen oder nicht mehr vorhanden sind. Wer hatte die Idee, hier eine Siedlung zu gründen? Danach ging es über Piste einen Pass auf 4600m hoch. Wir hatten schon Befürchtungen doch der Pass war geräumt und Problemlos zu überqueren. In der Nächsten Siedlung gab es dann Mittagessen und ein Paar km später haben wir direkt an der Straße übernachtet. Den ganzen Tag sind uns nur 4 Autos entgegen gekommen und nachts waren es garantiert nicht mehr.
Parallel zur M41 gibt es noch eine Südroute, die Landschaftlich sehr schön sein soll und entlang des Panji, dem Grenzfluss nach Afghanistan, verläuft. Diese Route wollen wir probieren und biegen von dem „Highway“ (Die Straße ist oft nicht als solche zu erkennen) ab auf eine Schotterpiste. Wir werden in eine Yurte zum Tee eingeladen und man sagt uns, dass die Straße mit unserem Fahrzeug kein Problem sein sollte. Super! Es geht mal wieder über einen Pass an dessen Ende eine Militärkontrolle ist. Wir werden registriert und es geht weiter. An Schnee und matschlöchern vorbei bis zu einer Stelle, an der die Straße unterspült ist. Also umkehren, jetzt schon? Nope! Wir graben den Hang daneben ab und füllen die Unterspülung wieder auf. Straßenbau in Tajikistan, so haben wir uns das nicht vorgestellt. Nach 2h geht es weiter. Da mittlerweile aber schon spät ist, machen wir bald Feierabend. Morgen wollen wir 130km fahren, bis zu heißen Quellen. Die Straße führt bald wieder hoch, dass wir ein paar 100m über dem Fluss sind und es liegt wieder Schnee auf der Straße. Immer wieder müssen wir aussteigen um die etwas schmale Straße zu verbreitern. Mittags passiert es dann, der schneefreie Weg ist neben der Schneebedeckten Straße und wir müssen schräg auf die Straße hoch. Dabei bleiben wir im Matsch stecken, die Hinterachse sitzt komplett fest und es fehlt nicht viel, dass der Auspuff vollläuft. Nur mit viel Zeit, schaufeln, den Sandblechen, dem Wagenheber und vielen Steinen aus der Umgebung schaffen wir es, den Wagen wieder zu bergen. Hier auf Hilfe zu warten könnte auch länger dauern, da die Straße nicht stark frequentiert zu sein scheint. Es geht nochmal 500m weiter, bis uns die Hinterachse von der Schneebedeckten Straße rutscht, wir wieder in Starker Schieflage sind und sorgen haben, dass uns der Wagen den Hang runter kippt. Wieder wird geschaufelt, alles unter die Reifen gelegt, was wir haben und Steine zur Befestigung neben den Gafahrreifen gelegt werden. Als Lukas den Wagen auf sicheres Terrain bringt wird es schon dunkel. Wir haben keine 20km geschafft und beschlossen morgen umzukehren, da die
Straße eher schlechter als besser wird. Dazu verbreitern wir abends noch die Straße um einige Meter weiter wenden zu können. Dabei fängt es noch stark an zu schneien…genau das, was wir jetzt brauchen! Am nächsten Morgen tauchen dann doch noch zwei Einheimische mit Schaufel auf, die aber auf dem Weg zu ihren Yaks sind und wir nehmen sie ein Stück mit. Als ob wir leute mit schaufeln stehen lassen würden!

Blick nach Afghanistan

Abends erreichen wir, mit nur einem Platten, die heißen Quellen von Chalandi und der Eintritt von 1€ für 4Personen ist auch vertretbar. Dafür bekommt man etwas morbiden Charme und etwas Entspannung nach dem ganzen Schaufeln die letzten Tage. Unsere Tage entlang der M41 verbringen wir leider größtenteils im LKW, da meist nur Geschwindigkeiten von 20-30km/h möglich sind. Ein gutes Gefühl bekommen wir aber durch die Schweren LKW mit Anhänger, die die Strecke auch schaffen, wir brauchen also keine Angst mehr zu haben, dass wir abstürzen. Die Straße führt irgendwann dann doch entlang der Afghanischen Grenze und der Frühling zeigt sich in seiner vollen Pracht, saftig grüne Wiesen, blühende Bäume. Nach langer Zeit freuen wir uns sehr über die satten Farben. Wir treffen Claudia, eine Radreisende die mit schwerem Gepäck reist. Ihr Fahrrad wiegt mit Taschen knappe 60kg – Wahnsinn! Sie will über die Grenze nach Kirgistan, über die wir nach Tajikistan gekommen sind, das wird noch ein langer Weg. Sie kennt aus Marc, den Radreisenden, den wir in Armenien über einen Pass mitgenommen haben. So klein ist die Welt!
Der nächste Tag ist nicht unser Glückstag. Bis mittags haben wir die Gabelung erreicht an der wir von der M41 abbiegen, da die andere Straße deutlich besser sein soll. Ist sie zwar auch, dafür fahren wir uns kurz nach der Gabelung eine Schraube in den Reifen. Jonas und ich nehmen den Reifen auseinander und flicken den Schlauch, während Lukas und Benny mit einem anderen kaputten Schlauch los ziehen und ihn flicken lassen. Wir ziehen den „Professionell“ geflickten Schlauch ein und fahren weiter. 1km. Wieder ein Platter….Reifen runter anderen Schlauch rein, reifen drauf weiter. Wir nehmen zwei Anhalterinnen mit, die vom Markt kommen und treffen noch ein holländisches Pärchen, die uns entgegen kommen. Als wir abends von der Straße fahren um daneben zu nächtigen hören wir es schon –PFFFFFFFFFFFFFT- Kaputter Schlauch nr. 3! Neue Bestleistung! Wir schmeißen noch Holzklötze unter die Achse und beenden den Tag. Am nächsten morgen Reparieren wir mal wieder einen Schlauch, 2 Flicken übereinander, denn doppelt hält besser! Und dann bis Duschanbe, denn morgen Nacht Fliegt Benny wieder heim. Wir parken relativ zentral in einem Wohngebiet und abends geht es erst in einen Pub, dann in die Bundesbar, sie wurde uns von drei Expeds im Pub empfohlen und uns wurden auch die Cocktails ans Herz gelegt. Die Bar war nicht so toll und die Cocktails teilweise echt ekelig.
Der letzte Tag mit Benny bricht an. Wir wandern ins Tajikische Nationalmuseum, in dem es einen großen Raum nur für den Präsidenten gibt, sonst aber nicht so viel zu bieten hat. Danach suchen wir zwei Restaurants, die aber nicht da sind, wo Google sie anzeigt, eines existiert nicht mehr und das andere öffnet nur für Großveranstaltungen. Auf das Internet ist einfach kein Verlass. Wir finden dann aber doch noch ein leckeres Restaurant und nehmen dann Abschied von Benny. Die zwei Wochen mit ihm waren echt lustig und wir sind alle gut mit ihm klar gekommen. Er wäre wohl gerne noch länger geblieben aber sein Arbeitgeber hätte da wohl etwas dagegen gehabt. Jetzt sind wir erstmal für eine Weile wieder nur zu dritt unterwegs.
Am nächsten Tag ging es direkt Richtung kirgisische Grenze los. Nach einer Mittagspause ging es Serpentinen Hoch und wir sehen zwei schwer beladene Kohletransporter vor uns stehen. Jonas meint noch im Spaß, dass die bestimmt einen LKW bergen. Wir fahren vorbei und ein weiterer Kohletransporter Sperrt die Straße. Die beiden LKW zuvor bergen einen anderen Transporter, der den Hang runter gestürzt ist. Da nicht viel anderes übrig bleibt schauen wir aus sicherer Distanz zu. Wir glauben nicht an das Gelingen der Aktion aber der verunglückte LKW wird aufgerichtet und 50m den Hang hoch gezogen, zurück auf die Straße. Leider hat das Bergeteam nur bis hier gedacht, die beteiligten geben sich ein high-5 während der unbemannte LKW rückwärts mit eingeschlagenen Reifen rollt. Direkt auf den Abhang zu und runter! Es rumpelt, Stahlseile reißen und der Wagen schlägt auf der Straße weiter unten ein. Es mutet an wie im Film, gottseidank ist aber niemand zu Schaden gekommen.
Am nächsten Tag geht es für uns über die Tajikische Grenze, was nach 30min. erledigt war. Tajikistan hat uns sehr gut gefallen, auch wenn es an manchen Stellen fast etwas viel Abenteuer auf einmal war. Die Landschaft ist atemberaubend schön und die Menschen zurückhaltend aber sehr freundlich. Auf jeden Fall ein Land, das man mal besucht haben sollte!

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6 Kommentare

  1. Barbara sagt:

    Beides sehr spannend: Bericht & Bilder!! Aber, ehrlich, für meine Nerven wär‘ das nichts gewesen xD
    War sicher ( neben mega-anstrengend) auch beeindruckend und wird euch unvergesslich sein
    ( weißt du noch, damals, vor 40 Jahren, auf dem Pamir Highway, als wir….) – aber ich bin schon froh, dass ihr den jetzt gut HINTER euch habt!
    Lieben Gruß
    Mum/Barbara

  2. Ulrike Walz sagt:

    Wer das liest braucht keinen Krimi…
    Toller Bericht, spektakuläre Bilder…

  3. matthias hautsch sagt:

    immer wieder der wahnsinn ….männer ich hab riesig respekt vor euch!!!

    matthias

  4. Hannelore Schneider sagt:

    Ihr lieben, sensationell und spannend selbst für Grandmas!
    Weiter so und viele Schutzengel!!!

    Oma Hanni u.oma gerlinde

  5. Pascal sagt:

    Klasse Bilder! Ein echtes Abenteuer 🙂

    Liebe Grüße, Pascal

  6. Corina Mros sagt:

    super erzählt und beeindruckende Bilder…..vielen lieben Dank, dass ihr uns an eure abenteuerliche Reise teilhaben lasst…ist echt spannend.
    LG Corina

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